Bärchen und die Milchbubis


Bärchen und die Milchbubis

Bärchen & die Milchbubis: An der Schnittstelle zwischen NDW und Pop-Punk

Zwischen 1979 und 1983 gehörten Bärchen & die Milchbubis zu den wichtigsten deutschen Bands zwischen NDW und Pop-Punk. 1981 erschien ihr Debüt „Dann macht es Bumm“, dem Mitte April das zweite Album „Die Rückkehr des Bumm!“ (Tapete Records) folgte. Grund genug für ein ausführliches Gespräch mit dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied, Sängerin Annette Grotkasten (heute Annette Simons).

Bärchen & die Milchbubis wurden 1979 als Quartett in Hannover gegründet. Welche Künstler/Bands haben euch damals inspiriert und war von Anfang an klar, dass die Band auf Deutsch singt?

Es gab schon in den 70ern viele Bands die deutsch gesungen haben, z.B. Udo Lindenberg, Nina Hagen, Ton Steine Scherben. Da die Wurzeln unserer Hannover-Bubbble in Anti Atom- und anderen Protest-Songs lagen, war es ganz natürlich auf Deutsch zu singen, damit die Leute uns verstehen. So gut war unser Englisch auch meistens nicht.

Die EP „Jung kaputt spart Altersheime“ (1980) und das Debütalbum „Dann macht es Bumm“ (1981) erschienen auf dem Hannoveraner Label No Fun Records von Hans-A-Plast & Hollow Skai. Hatte eure Auflösung 1983 auch mit dem Labelende 1983 zu tun oder wo lagen die Gründe, denn für eine Band die sich stilistisch zwischen NDW und Pop-Punk bewegte, wart ihr verhältnismäßig erfolgreich zur damaligen Zeit.

Als wir anfingen waren wir noch sehr jung und haben ohne groß nachzudenken Stücke rausgehauen. Wir planten eine zweite LP aufzunehmen und fingen an zu überlegen, was wir eigentlich wollen. Inhaltlich und musikalisch. Darauf fanden wir keine Antwort. Gleichzeitig überschwemmte die Neue Deutsche Welle mit ihrer Gaga-Welt den Markt. Es war gar kein Platz mehr für uns. Diese Krise erwischte alle Bands des No Fun Labels und so löste sich alles gleichzeitig auf.

Hatten zumindest Du (damals Gesang, heute Gesang, Gitarre) und Kai Nungesser (Bass, Gesang) nach dem Split überlegt in anderer Konstellation weiterzumachen?

Nein. Jeder für sich wollte sein Leben allein auf die Kette kriegen und gucken, was das Leben noch so zu bieten hat.

2020 kam es in Trio-Besetzung mit Markus Joseph (Schlagzeug, Gesang, ex- Rotzkotz) zu einer bis heute andauernden Neugründung der Band. Hatten die einzelnen Bandmitglieder in der Zeit zwischen 1984 und 2020 beruflich mit Musik/Kultur zu tun und wieso kam es gerade nach Covid-19 zu einer Neugründung? Wer gab den Startschuss dazu?

Markus und Kai haben konstant weiter Musik gemacht, aber nicht beruflich. Markus trommelte u. A. bei den Barmbek Gorillas und bei Hamburg Ramönes. Kai spielte bei der P Funk Band Tom Oz & The Wet. Außerdem veröffentlichte er Anfang der 90er einen Soulsong bei Yo Mama und machte später Indie-Folk mit den Gringostar. Ich fing erst vor ein paar Jahren wieder an zu singen, in einem Metal-Chor. Der Startschuss zur Wiederbelebung der Band erfolgte auf einem Konzert von Der Moderne Man 2019. Als wir sahen, wieviel Spaß es macht, wurde Andreas Kühne, unser ehemaliger Schlagzeuger zum Initiator es auch wieder zu versuchen. Durch Covid konnten wir dann nicht zusammen proben. In der Zeit haben Kai und ich die alten Stücke so vereinfacht, dass ich sie auf der Gitarre spielen kann, denn unser ehemaliger Gitarrist Rudolf Gimm lebt in Innsbruck und mochte auch nicht mehr dabei sein. Andreas konnte aus unterschiedlichen Gründen weiterhin nicht mit uns proben, so dass wir Markus baten bei uns einzusteigen.

Die frühen Texte stammten vom ersten Bassisten Martin Fuchs, wer schrieb danach bis 1983? Und wer ist heute für die Texte auf dem zweiten Album „Die Rückkehr des Bumm!“ verantwortlich? Geht es inhaltlich um reines Entertainment, eine Art Infotainment oder um eine deutliche Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Politik?

Die ersten Texte sind von Martin Fuchs. Aber sobald ich als Sängerin eingestiegen war, habe ich meine eigenen geschrieben. Die Texte sind sehr persönlich und wer sie schreibt sollte sie auch singen. Auf der neuen LP singt Kai auch seinen Song „Lokalrunde“. Überraschend für die Band war, welche Bedeutung ihre scheinbar harmlosen Texte für Punks in der ehemaligen DDR hatten. Insofern weiß man ja nicht, welche Bedeutung Songs für die Hörer:innen bekommen. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zuständen ist eher subtil. Bei „Katzenvideos“ geht es um den Rückzug ins Private. „Mansplainer“ muss ich nicht erklären (das überlasse ich denen). „Geister“ ist für die Geflüchteten an der EU-Außengrenze. Das darf aber jeder für sich auch anders interpretieren.

Gibt es das eine oder andere Stück, dass alle Drei als Lieblingstitel auf dem Album bezeichnen würden und wenn ja, warum?

Wir lieben alle „Alles falsch“. Das Gefühl kennt jede:r. Und der Song lässt einen damit nicht allein.

Habt ihr das Album selber produziert oder Hilfe in Anspruch genommen und wo habt ihr aufgenommen?

Kai hat eine sehr aufwändige Vorproduktion gemacht. Damit sind wir zu Ritchy Fondermann und Ron Henseler ins K-Klangstudio gegangen. Was eine sehr gute Entscheidung war. Die Arbeit mit den beiden war toll und sie haben uns sehr unterstützt. Außerdem haben wir noch Freund:innen ins Studio geholt.

Als Gäste auf dem Album finden sich Annette Benjamin, Sängerin von Hans-A-Plast, mit der euch eine lange Geschichte/Freundschaft verbindet und Doktor Renz, ex-Fettes Brot. Wie kam es zu diesen Kooperationen?

Mein Gitarrenlehrer Sven Waje, war Tourgitarrist bei Fettes Brot und hat für uns Doktor Renz bequatscht bei „Fett“ mit zu singen. Denn „an Fett wird heute nicht gespart“.
Wir haben uns riesig gefreut, dass er tatsächlich mitgemacht hat. Danke!
Annette Benjamin haben wir uns einfach gewünscht. Sie singt auf dem Rotzkotz Stück „Kein Problem“ mit. Markus hat Anfang der 80er bei Rotzkotz getrommelt. Wir waren alle zusammen jung und hemmungslos auf der „No Fun Jubel 81“-Tour. Als Erinnerung an diese wilde Zeit haben wir das Stück gecovert und waren überrascht wie toll der Text immer noch ist und wie gut der Song abgeht.

Der kanadische Musiker Sam-Vance Law veröffentlichte 2021 die EP „NDW“, auf der er den Bärchen & die Milchbubis-Titel „Ich will nicht älter werden“ im Duett mit Drangsal coverte. Fiel es euch leicht dieser Version eure Zustimmung zu geben?

Na klar. Wir waren begeistert. Was für eine Ehre.

Das erste Bärchen & die Milchbubis Konzert fand 1980 in Offenburg statt. Zahlreiche weitere folgten. Werdet ihr jetzt wieder regelmäßig auf Tournee gehen und was dürfen neue und alte Fans dann von euch auf der Bühne erwarten?

Ob wir regelmäßig auf Tour gehen? Wir machen jetzt erstmal eine und hoffen, dass die Shows toll werden, die alten, wie die neuen Stücke zünden und alle eine gute Zeit haben.

Vielen Dank an Annette Simons!

Text: Frank Keil
Bilder: Laila Frühsorger (Annette), Kevin Winiker (BuM)


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